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Eine Geschichte

Lass mich eine Geschichte erzählen.

Vor vielen Jahren habe ich eine Reportage gesehen.

Es ging um Frauen, die in der Jahrhundertwende des 19ten in das 20ste Jahrhundert in der Psychiatrie gelandet sind.

Gelandet deswegen, weil sicherlich keine von ihnen freiwillig dort war.

Steckte die Psychatrie da schon in den Kinderschuhen? Vielleicht ja. Aber ich glaube, Frauen hatten auch da noch das Nachsehen.

Doch das ist eine ganz andere Geschichte.

Jedenfalls haben diese Frauen gestickt. Viel gestickt. Und weil sie keinen Stoff dafür bekommen haben, haben sie ihre Bettlacken dafür genommen. Manche haben Bilder gestickt, andere haben ihre Verzweiflung durch das Sticken auf die Lacken geschrieben.

Was aus deren Not entstanden ist, hat mich unglaublich beeindruckt und auch geprägt.

Das hat mich so sehr geprägt, dass ich  mich oft - in meinen dunklen Tagen - an diesen Ort gewünscht habe. Und bekanntlich soll man vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht.

 

Nun!

Letzte Woche - mit meinen gerade 47 - wurde das zu einer Realität.

Eigentlich wollte ich nur eine AU bei meiner Hausärztin abholen. Abends fand ich mich in der stationären Station der psychiatrischen Klinik wieder.

Anders als die Frauen aus der Reportage, hatte ich allerdings eine Wahl. Es war meine freie Entscheidung. Ich wurde ernst genommen, mir wurde geholfen. Niemand hat über mich geurteilt.

 

Es war heilsam. Kein Alltag, kein Kümmern, keine Entscheidugen. Ein neutraler Ort, an dem frau zur Ruhe kommen kann.

Ich habe viel gestickt in den Tagen. Ich habe Ruhe gefunden. Ich habe Güte und Freundlichkeit erfahren.

Nach einer Woche habe ich entschieden, dass ich wieder nach Hause kann.

Aber ich hätte bleiben können. Lange. Sogar für immer? Es wäre einfach... sich keine Sorgen und Gedanken über die Zukunft machen zu müssen.

Viel Zeit zu haben. Keine Entscheidungen mehr. Kein Reden, wenn nicht gewollt, kein verstecken, kein verstellen.

Nur ein Stück Stoff, Nadel und Faden... Stich für Stich. In die Stille. In die Isolation. In die Ruhe.

 

Zum Glück habe ich ein schönes Zuhause, welches mich zurück gerufen hat. 

 

Ich habe auch was Neues ausprobiert in der Zeit... Speckstein!

Da ich wusste, dass ich nicht zu lange bleiben möchte, habe ich nur zwei kleine Sachen gemacht.

Eine kleine Lilith - sie bekommt noch ihr Symbol eingraviert. Und ein kleines Eichhörnchen.

Hat Spaß gemacht und ich werde das weiter machen.

 

Gestrickt habe ich auch... Habe das braune Halbpatent-Tuch aus der Lang Yarns Lace Mohair Superkid Silk neu angeschlagen. Ich war ja schon wieder ziemlich weit, aber dann ist mir der Rand im Reißverschluss stecken geblieben und ein paar Maschen sind gerissen. Das konnte ich nicht so lassen. Also alles auf Anfang. Ein Foto muss ich noch machen.